Ein Plädoyer für die Gesundheit: Menschen brauchen Berührung

Viele Menschen leiden zur Zeit. Sie sind einsam, besorgt oder verängstigt – greifen vermehrt zu Suchtmitteln und Gewalt gegen sich und andere.

Neben all den offensichtlichen Gründen dafür, wie der wirtschaftlichen Situation, Einsamkeit und Angst vor Krankheit, gibt es unserer Meinung nach einen Auslöser der Leicht zu übersehen ist: Der momentane Mangel an Berührung.

Berührung ist ein psycho-biologisches Grundbedürfnis.
Wenn Menschen nicht berührt werden, erzeugt dies körperliche, emotionale und seelische Leiden, die durch nichts anderes aufgefangen werden können.

Wir möchten in diesem Artikel die Hintergründe dafür erklären und einen klaren Aufruf machen: Es ist unerlässlich, dass wir uns in sicheren Rahmen unser Grundbedürfnis nach Berührung erfüllen. Besonders zur Zeit.

Dieser Artikel richtet sich an alle, die Interesse an Berührung haben und die Möglichkeiten nutzen wollen einen sicheren Rahmen für Berührung zu schaffen.

Wenn Du als Expertin (Therapeut, Masseur, Yogalehrerin …) mit Menschen arbeitest, gibt es HIER einen zweiten Artikel, wie Du wohltuende Berührung in Deine Praxis integrieren kannst.

Menschen brauchen Berührung

Prof. Martin Grunewald, Leiter des Haptik-Labors in Leipzig einher, sagt: “Menschen produzieren körperliche & seelische Leiden, ohne Körperkontakt.”

Das ist durch eine Vielzahl von Studien belegt. Menschen die keine oder zu wenig Berührung in ihrem Alltag erleben, in vielen Bereichen ihres Lebens schlechter dastehen als Menschen, die viel berührung erleben.

Berührung hat viele positive Folgen für Körper, Emotionen und Seele

Das Ganze hat auch eine positive Seite: Wenn Menschen wohltuend berührt werden, hat dies unmittelbare und messbare Folgen auf den Organismus und das Wohlbefinden.

Eine Menge an Studien haben den direkten Einfluss von Berührung auf Hormonspiegel, Hirnwellen und Selbsterleben von Menschen messen:

Gleiches gilt auch bei Kindern - mit langfristigen Folgen

Besonders wurden diese Phänomene bei Kindern erforscht. Hier kann gezeigt werden, dass Berührung notwendig für die Entwicklung von Kindern ist.
(Dies geht so weit, dass im 20. Jahrhundert Kinder in Waisenhäusern ohne Berührung und Zuwendung oft gestorben sind.)

Diese Unterschiede bleiben (leider) ziemlich stabil. Menschen, die in den ersten Monaten weniger Berührung erhalten haben, zeigen noch Jahre und Jahrzehnte Verhaltensunterschiede.

Wir brauchen Berührung für unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit und unsere Entwicklung.

Die momentane Situation in Deutschland: 70% der Menschen leiden an “Berührungs-Hunger”

Eine Studie von Junior Professorin Ilona Croy am Institut für Affective Touch hat gezeigt das bereits 2019 ca. 70 % der Menschen in Deutschland an “Berührungs-Hunger” litten.
Das heißt, dass diese Menschen nicht die Menge an Berührung bekamen, die sich wünschten und sie brauchten.

Und das war vor den Einschränkungen des sozialen Lebens durch die momentanen Corona-Verordnungen

In den letzten Monaten haben Menschen noch viel weniger Berührung bekommen als sonst schon: Umarmungen mit Freunden, Besuche der Enkel, Handschläge von Kollegen… all das fällt weg.

Was alleine durch die Betrachtung der “Eindämmung” Sinn ergibt – ist eine Katastrophe für unsere menschlichen Bedürfnisse.
Wir brauchen Berührung. Fehlende Berührung drückt sich in Form von Stress, Süchten und emotionalen Problemen aus. (Und all das relativ UNABHÄNGIG von anderen Auswirkungen, wie z.B. die wirtschaftliche Situation des einzelnen).

Ein Plädoyer für unsere Gesundheit

Deswegen möchten wir – als Körpertherapeuten und Körper-Menschen, die wissen, wie wichtig Berührung für uns alle ist – euch dazu ermuntern:

Holt euch bewusst (in einem sicheren Rahmen) die Berührung, die ihr braucht – für eure Gesundheit und euer Wohlergehen

Und klärt eure Mitmenschen darüber auf, wie wichtig Berührung ist – besonders in Zeiten wie diesen.

Wichtig: Tut dies im Rahmen der momentan geltenden Verordnungen, aber nutzt die Kraft der Berührung zu eurem Vorteil:

Was wohltuende Berührung ausmacht:

Ganz grundlegend: Jede Berührung kann wohltuend sein.

  • Ein Handschlag
  • Eine Umarmung
  • Ein Streicheln.

Gleichzeitig wissen wir alle: Die gleichen Berührungen können auch das genaue Gegenteil sein – grenzüberschreitend, unangenehm etc.

Deswegen betonen Forscher (und unsere eigene Praxis) zwei Faktoren für Berührung:

Eine passende Berührung (warme Hand, angenehmer Druck) in einem passenden Setting (ich vertraue der Person, ich fühle mich einigermaßen sicher) wird als positiv oder wohltuend erlebt.
Das heißt im Kern: Ich fühle mich sicher und geborgen – und in einer solchen Situation entspannt sich der Körper, das Nervensystem von selbst – was dann all die oben beschriebenen Folgen hat.

Berührung und die Angst vor dem Virus

Eine der Herausforderungen, die uns hierbei in den nächsten Monaten begegnen kann ist die Angst vor dem Virus. Viele Menschen haben zur Zeit eine große Angst vor Viren und Ansteckung.

Das kann dazu führen, dass es zu einer sogenannten “Überkopplung” kommt. Das ist ein Begriff aus der Trauma-Therapie, in der ein bestimmter Reiz mit einer Bedeutung gleichgesetzt wird, die eigentlich nicht gleichgesetzt sind:

Nähe mit Menschen = Gefahr zu erkranken (wegen des Virus)

So lange diese Überkopplung existiert, ist es nahezu unmöglich, Berührung und Nähe als angenehm zu empfinden – obwohl der Organismus vielleicht danach schreit.

Dann kann es wichtig sein, wie in der obigen Grafik, auf die Beziehung und das Setting zu achten: Wie können mein Berührungs-Partner und ich einen Rahmen schaffen, in dem ich mich sicher genug fühlen kann?

  • Ausgiebiges Händewaschen?
  • Duschen?

Dies kann besonders dann zu Konflikten kommen, wenn andere Menschen diese Gefahr überhaupt nicht sehen – sondern die Perspektive haben, dass es überhaupt keinen Grund gibt, sich zu schützen. Dies kann man als eine “Unterkopplung” bezeichnen.

Denn es gibt mit jeder Berührung ein Risiko: Viren, Bakterien und Verletzung existieren und bergen immer Gefahren.
Was wichtig ist, ist einen Rahmen zu schaffen, der diese Risiken realistisch abwiegt. Wir hoffen, dass ihr einen Rahmen schaffen könnt, in dem ihr euch sicher genug fühlt, wieder in Berührung und damit auch ein Eingangstor zu dieser heilenden Kraft zu finden.

Und für alle “Berührungs-Experten” unter euch, wie Osteopathen, Physiotherapeuten, Masseure etc:. Momentan ist unsere Arbeit besonders wichtig und das vielleicht auf Ebenen, die sonst eher wenig mit einbezogen werden.

Für einen vertiefenden Artikel für “Berührungs-Experten” KLICK EINMAL HIER.