Hüftöffner, Stress & der Iliopsoas

Hüftöffner, sind sie auch Teil Deiner Yoga- oder Körperarbeitspraxis?

Wenn ja, dann hast Du bestimmt schon mitbekommen, dass die Hüften irgendwie ein besonderer Ort sind!?

Einerseits haben sie ein großes Potential für Entspannung und Loslassen. Gleichzeitig beschreiben viele „besondere“ Erfahrungen, wenn sie viel mit ihrer oder anderer Menschen Hüften arbeiten:

  • starke Verkrampfungen
  • überraschende Anspannungen
  • Emotional Release
  • Angst
  • Zittern

In diesem Artikel wollen wir erforschen, warum die Hüften so ein besonderer Bereich sind.

Was die Potentiale von Hüftöffnern sind UND worauf wir achten sollten, damit die Techniken nicht „nach hinten losgehen“.

Die Muskulatur unserer Hüften ist oft sehr angespannt


Warum eigentlich? Das hat besonders zwei Faktoren:

    1. Unser Sitz-Lebensstil
    2. Und Stress

Um das zu verstehen, ist es wichtig ein bisschen Hintergrundwissen zu haben:

Wofür sind die Muskeln der Hüfte eigentlich gemacht?


Die Hüftmuskulatur verbindet Becken und Lendenwirbelsäule mit den Beinen, somit  Rumpf/Oberkörper mit dem Unterkörper. Zur Hüftmuskulatur zählt zum einen die Muskulatur, die die Hüfte streckt (Extensoren) wie auch beugt (Flexoren).
Ebenso gibt es Muskeln, die das Bein nach innen und außen drehen (Innen & Außenrotatoren), Muskeln, die das Bein zur gedachten Körpermittellinie hinführen und andere, die es abspreizen. Das Hüftgelenk kann sich durch sie in 6 Richtungen bewegen und diese Bewegungen kombinieren, was auf die Art des Gelenkes (Kugel- bzw. Nussgelenk) zurück zu führen ist.
Neben des großen Muskeln, die diesen Bewegungsspielraum ausschöpfen, gibt es auch eine Vielzahl an kleineren, stabilisierenden, tieferliegenden Muskeln die sogar mit dem Beckenboden verbunden sind und das Becken „sichern“ – halten.

Das Hüftgelenk, als Verbindung zu unseren Beinen ist ursprünglich dafür gemacht, dass wir jeden Tag Stunden lang darauf stehen, gehen, laufen und springen. Doch wenn wir unseren Bewegungsalltag betrachten, werden diese Muskeln und Strukturen vor allem mehrere Stunden pro Tag „breitgesessen“.
Anstatt die Muskeln und die vielen Funktionen unserer Hüfte zu nutzen, bewegen wir uns eher im Bereich der „unterlassenen Hilfeleistung“? Das ist problematisch. Doch warum eigentlich?

 

Wie unser Lebensstil unsere Hüftmuskulatur anspannt

Ein kurzer Exkurs zur Funktionsweise von Muskeln: Jeder Muskel hat eine Art Grundspannung, wenn wir einen Muskel verkürzen, sprich „anspannen“ erhöht sich die Spannung, fachsprachlich der Tonus, in diesem Muskel.

Wenn wir Muskeln überlasten, z.B. durch eine dauernde sitzende Haltung, führt das zu einer erhöhten Spannung in diesen Muskeln (Hüftbeugern) und damit im Körper. Das ist logisch und kennt eigentlich jeder.
Doch was passiert, wenn wir Muskeln nicht nutzen? Man würde intuitiv glauben, wenn wir einen Muskel nicht beanspruchen, würden dieser sich entspannen. Doch das ist leider nicht ganz korrekt.

Hier ist warum: Jeder Muskel hat einen sogenannten Ruhetonus (Eutonus). Das ist der Zustand zwischen total locker und angespannt – der gesunde Zustand des Muskels, angepasst an die Situation.
Dieser Ruhetonus entsteht durch die Abwechslung von Anspannung und Entspannung des Muskels – normalerweise weil wir uns bewegen. Dieses natürliche Gleichgewicht wird durch Mangel an Bewegung aus der Balance gebracht.

Denn auch ein Muskel der zu wenig genutzt wird, muss seine Eigenspannung halten, Da dies nicht auf dynamische und „natürliche“ Art und Weise passiert, führt dies meistens zu einem sogenannten Hypertonus, einem Anspannen der Muskulatur (mehr dazu im letzten Blog Artikel – Entspannung ein aktiver Vorgang)

Und dies wird durch Stress und sympathische Aktiveriung noch verstärkt.

Bild aus Essential Anatomy, 3D4medicals

An einem Beispiel erklärt: Der sagen-umwobene Muskel Ilio-Psoas

Der Psoas verläuft von der Lendenwirbelsäule bis zum Oberschenkel und unter anderem für die Beugung der Hüfte zuständig.

Wie sieht unser Alltag aus? Die meisten von uns sitzen fast den ganzen Tag – wir verbringen 8-9 Stunden im Bürostuhl, auch wenn er ergonomisch ist, wir sitzen! Sitzen auf dem Rad, in Bus & Bahn, um dann vom Abendessen auf die Couch zu gehen. Wir sitzen.

Im Sitzen ist die Hüfte gebeugt – eigentlich die Aufgabe des Psoas – der er aber kaum nachkommen kann, da schon so weit angenährt ist (aktive Insufizienz), durch das  eigentlich recht entspannte Sitzen.
Was passiert also? Der Muskel muss sich die Wahrnehmung, An- & Entspannung die er sonst durch Bewegung kriegen würde anders holen; er baut mehr Spannung auf, kann schlechter entspannen und verkürzrt – mit allen Folgeerscheinungen. 

Kurz zusammengefasst, kann man sagen, dass unser Lebensstil unsere Hüfte und besonders unsere Iliopsoas chronisch anspannt.

Zusätzlich: Angst und Stress lassen das Becken und den Iliopsoas anspannen

Die Hüftmuskeln und besonders der Iliopsoas gehören zu den Kampf- und Fluchtmuskeln im Körper. Das heißt, diese sind Muskeln, die dann aktiviert werden, wenn unser Körper sich darauf vorbereitet zu fliehen oder zu kämpfen.
Kleine Anmerkung: Die Kampf-Flucht Reaktion (Fight-Flight) ist unsere normale, biologische Reaktion, wenn wir Stress haben oder glauben uns schützen zu müssen. In der Fachsprache ist das „Sympathische Aktivierung“.

Der Iliopsoas ist sogar in beide dieser Reaktionen involviert: Wenn wir Angst haben und uns klein machen, zieht der Psoas uns zusammen.
Wenn wir wütend sind, ist der Psoas darin involviert uns aufzurichten und Stabilität aufzubauen.

Das heißt, je stressiger unser Alltag ist, desto häufiger spannt sich unsere Hüftmuskulatur und besonders der Psoas an.
Und wenn wir diese dann nicht bewegen, also aktiv an- und entspannen (sondern am PC sitzen…) dann bleibt diese Spannung häufig in dem Muskel stecken.

 Dadurch nimmt nicht nur diese Spannung zu sondern:

Diese Spannung selbst erzeugt mehr Stress,
denn unser Körper interpretiert die Anspannung dieser Muskeln als Zeichen,
dass wir Kämpfen oder Flüchten müssen


Denn der Informationsfluss in unserem Körper fließt sowohl vom Gehirn in die Muskeln, als auch von den Muskeln ins Gehirn. Neuere Forschung sagt sogar, dass 80% unseres der Nervenfasern des Vagus Nerven afferent sind, sprich vom Körper in das zentrale Nervensystem fließen.
Das heißt, es spannen sich nicht nur unsere Muskeln an, wenn das ZNS  (Zentrale NervenSystem)„anspannen“ sagt, sondern unser Nervensystem interpretiert die Spannungen der Muskeln und Eingeweide, um zu wissen „Wie geht es mir gerade?“.

Also wenn Muskeln, besonders unsere Kampf-Flucht-Muskeln (chronisch) angespannt sind, interpretiert unser System dies als „Ich muss kämpfen oder flüchten!“ bzw. „Ich habe Angst / bin wütend.“
Das wiederum führt dann zu einer Anspannung der Muskeln, wodurch wieder mehr Stress im Körper- und Nervensystem erzeugt wird. Ein Teufelskreis – perpetuum mobile – entsteht.

Hier können Hüftöffner helfen

 
Wenn wir an genau diesen Strukturen arbeiten, kann das helfen, aus dieser Dynamik herauszukommen. Indem wir die Hüften dehnen, geben wir an die Muskeln einen Impuls zur Tonusveränderung.

Wenn die Muskeln sich dann entspannen und lösen gibt das dem Rest des Nervensystems den Impuls „Entspannung. Die Situation ist wieder Ok.“

Das ist großartig und kann sehr helfen.

Aber sie können auch genau das Gegenteil bewirken

 
Denn wenn wir die Aufmerksamkeit auf die verspannten Strukturen richten, verstärkt das häufig die Spannung (zumindest erstmal).
Indem wir präsenter mit den Hüften sind, wird uns die Spannung bewusster, wie unter der Lupe betrachtet, und das kann im System eine Verstärkung der Spannung und der damit verbundenen Gefühle bewirken.

Das ist an und für sich nichts Schlimmes, wenn ich damit gerade gut umgehen kann, habe ich vielleicht einen emotionalen Augenblick, zittere vielleicht ein bisschen und dann entspannt sich etwas.

Aber wenn ich im Moment nicht genug Raum (in mir) habe, um mit den Emotionen und Empfindungen in diesem Moment umzugehen, kann das dazu führen, dass die Gefühle von Stress, Angst und die Spannungen zunehmen.

Das ist besonders im Fall von Traumata – sowohl Schock als auch Entwicklungstraumata – etwas was häufig vorkommt.

Weil wir in der Vergangenheit etwas nicht verarbeiten konnten, steckt es immer noch in uns fest – auch ganz muskulär!
Wenn wir uns dieser Ladung zu schnell nähern, ohne eine positive neue Erfahrung damit zu machen, verstärkt das diese Ladung & Verspannung anstatt sie abzubauen.

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Deswegen ist es wichtig, auf die natürlichen Grenzen zu achten

 

  • Wie tief kannst und willst Du hier und jetzt in diesen Technik/Postition gehen?
  • Wie weit kann Dein Klient sich dieser Ladung gerade nähern, sie berühren – und wo wird es zu viel?

Denn wenn wir mit Ladungen und Spannungen arbeiten, die aus Traumata der Vergangenheit kommen, brauchen wir diese Unterscheidungen.
Sonst ist es so typisch, dass es schnell zu viel wird!

Und damit helfen wir weder uns noch unseren Klienten!!!

Ein kleiner Einblick, wie wir damit arbeiten

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